Rede von Steffanie Bickel zur Ausstellung "Atlantico"

Um das Werk von Gertraud Hasselbach am besten zu verstehen, macht es Sinn am Anfang anzufangen. Selten habe ich mich mit einer künstlerischen Arbeit beschäftigt, die einen so eindeutigen Anfang hatte. Sie können Teile davon in dieser Ausstellung sehen. Im Eingansbereich, in dem sich der Schriftzug Artlantico findet, sehen Sie verschiedene Buchstaben aus Metall. Diese sind mit Scharnieren versehen, so dass man sie in ihrer Form verändern, auf – und zuklappen kann.

1992 hat Gertraud Hasselbach das erste Mal solche Buchstaben gearbeitet. Damals war es einfach nur ihr Name. A, b, c, d, e, g, h, l, r, s, t, und u. Zwölf verschiedene Buchstaben. Nicht das ganze Alphabet, doch ein beträchtlicher Teil davon. Diese zwölf Buchstaben sind sozusagen die Keimzelle für ihr gesamtes Werk. Alle Metallarbeiten, die Sie heute Abend in der Galerie Artlantis sehen können, bestehen aus einem oder mehrer dieser zwölf Buchstaben. Allerdings kann man nur ganz selten erkennen, um welche es sich gerade handelt. Nachdem Gertraud Hasselbach die Urtypen der zwölf Klappbuchstaben entwickelt hatte, war der nächste Schritt, dass diese aufgeklappt, umgeklappt oder ineinander geklappt wurden. Damit wurden aus zweidimensionalen Chiffren für Worte, die allgemein verständlich sind – dreidimensionale abstrakte Objekte. Dass diese Metallgebilde einen „Sinn“ haben, ist selbst auf dieser frühen rückgenommen in die zweite Dimension. Die Fotografien werden im Computer bearbeitet. Wenn sie freigestellt werden und wie in einem Scherenschnitt gleichgemäßig eingefärbt, entstehen abstrakte Flächen. Diese bilden dann wieder Vorlagen für Schnittmuster. Das dann wiederum in Metall geschnitten wird. Damit ist die Form des Buchstabens einmal sozusagen im Kreis gewandert. Von der Fläche in den Raum, wieder in die Fläche und dann wieder als Objekt zurück in Grundlage dienen, ist die mögliche Vielfalt der entstehenden Formen bereits expotentiell gestiegen.

Aber damit war die Künstlerin immer noch am Anfang ihrer künstlerischen Forschungsreise. Denn was passiert, wenn man diese abstrakten grafischen Formen ineinander spiegelt, so dass sie zwei oder viermal auftauchen? In diesem Moment entwickeln sich Ornamente. Sonderbare Ornamente, die immer noch an Schrift erinnern, oder besser, an Chiffren von Schrift, die aber gleichzeitig etwas sehr technisches, futuristisches an sich haben. Tatsächlich ist es so, dass die Ornamente ja immer noch jeweils einen einzigen Buchstaben darstellen, wenn man also mehrere aneinander setzt, kann man Worte darstellen. Worte, die poetisch sein können, oder eine Botschaft enthalten, die aber nicht mehr lesbar sind.

In manchem Fällen reiht die Künstlerin tatsächlich Buchstaben zu Worten, diese können dann sogar ein Rätsel, tatsächlich ein Kreuzworträtsel bilden. In dem großen Ausstellungsraum der Galerie Artlantis steht beispielsweise das Wort „Tauchgut“ an die Wand geschrieben. Wenn Worte entstehen, sind es dann zwangsläufig solche, die mit den gleichen Buchstaben auskommen, wie die beiden Worte „Gertraud Hasselbach“. Die Beschränkung, der Gertraud Hasselbach damit in ihrem Arbeiten folgt, sind selbst auferlegte. Es sind selbst gestellte Rätsel. Sie grenzt ihre eigene Arbeit bewusst ein, weil die Beliebigkeit in der dreidimensionalen Welt sie „nervt“ wie sie sagt.

Da sie an irgendeinem Punkt anfangen musste, wählte sie die eigene Identität, ausgedrückt auf eine denkbar nüchterne Art, nämlich die Buchstaben des eigenen Namens. Die Reise, die an diesem Punkt begonnen hat, offenbart aber immer neue Möglichkeiten und entwickelt sich zu einer reise ins Unendliche. Manche der Grafiken, die entstanden, erinnern an DANN – Stränge, andere an Schneekristalle oder Mandelmännchen (Schöpfungen der Chaos-Theorie). Wieder andere an Baupläne für Raumschiffe. Immer haftet den Schöpfungen auch bei aller Fantastiketwas sehr technisches an. Darüber hinaus haben sie eine Stoßrichtung in die Zukunft. Ob man die Baupläne der Zellen assoziiert oder die Blaupausen für Neuronentransmitter oder ähnliches, immer wieder bilden sich neue Formen, neue Elemente. Gertraud Hasselbachs Objekte wirken nicht vertraut, sondern seltsam futuristisch, als wollten sie Möglichkeiten aufzeigen, die erst noch kommen werden.